Lebenslänglich hinter Gittern. Die Wahrheit über Gorilla, Orang Utan & Co in deutschen Zoos
Colin Goldner
Alibri Verlag, 491 Seiten, 24 €
Rezension, von M.
„Lebenslänglich hinter Gittern“ ist ein intensiv recherchierter und ausführlich argumentierender Rundumschlag gegen die Institution Zoo und ein Plädoyer für die Persönlichkeitsrechte von Großen Menschenaffen.
Schon zu Beginn beschriebt die Kulturgeschichte des Verhältnisses zwischen Menschen und Menschenaffen eine Haltung gegenüber den Tieren, die deren gesamtes Wesen konsequent ignoriert. Darstellungen von Schimpansen, die oft in Menschenkleidung gesteckt und auf menschliches Verhalten dressiert, als Spaßmacher fungieren, Eintrittskarten ausgeben oder gar Zigarren rauchen und Wein trinken mussten, zeugen davon. Unterschiedliche Affenarten wurden zu klischeehaften Stereotypen menschlicher Projektionen (Gorillas waren „blutrünstige Bestien“, Orang Utans „gelehrige, gelegentlich aber auch widerspenstige Eigenbrötler“, Schimpansen „menschenzugewandte und stets gutgelaunte Spaßmacher“ oder Bonobos „friedliche weil sexversessene Hippies“). Es zeigen sich immer wieder rassistische, speziesistische, menschen- und tierverachtende Definitionen davon, wer minder- und höherwertig, unter- oder überlegen sei, fast ausnahmslos davon ausgehend, dass zivilisierte, europäische, männliche, weiße Menschen an der Spitze stehen. Es folgen Weltbilder und Zitate von Wissenschaftlern (Blumenbach, Linné, Darwin) , Philosophen (Decartes, Rousseau, Schopenhauer) und Theologen über ihre Menschen- und Tierbilder. Bekannte Personen wie Zoologe Alfred Brehm oder Zoodirektor Bernhard Grzimek und wie sie das gesellschaftliche Bild von Zoos und Tieren prägten, werden ebenso ausführlich dargestellt wie Erkenntnisse von Forscherinnen (Jane Goodall, Dian Fossey und Biruté Galdikas), die ein völlig neues Bild von Menschenaffen vermittelten. Weitere Wissenschaftler (Christophe Boesch, Volker Sommer, Frans de Waal) zeigten dann, wie Affen Werkzeuge herstellten, bei Krankheiten bestimmte Heilkräuter einsetzten, dass sie über Ich-Bewusstsein und einer Vorstellung von Vergangenheit und Zukunft verfügen, dass sie vorausschauend denken und planen können, Freude, Trauer, Leid und Mitgefühl empfinden und einen ausgeprägten Sinn für Humor haben. Weltberühmt gewordene Menschenaffen wie Washoe, Chantek oder Koko, ihre Geschichte, Persönlichkeit und Fähigkeiten sowie Experimente der Kognitionsforschung werden beschrieben, um zu argumentieren, wie unhaltbar sowohl die Grenzziehung zwischen Menschen und Menschenaffen, als auch deren Gefangenschaft, Behandlung und Benutzung ist. Ganze Rezension lesen:Rezension_Lebenslänglich hinter Gittern
M.E.
Chris Moser
Kyrene Verlag, 122 Seiten, 12,50 €
Rezension, von M.
Kein Gott, kein Staat, kein Vaterland – für Kunst, Kritik und Widerstand
Mit „M.E.“ gewährt Chris Moser zum zweiten Mal einen persönlichen Einblick in Leben und Überzeugungen als Motivation für seine Kunst, die immer auch als Protest verstanden werden soll.
Ausgehend von einer Kunst, deren Funktion und Aufgabe die Kritik an und die Widerspiegelung von gesellschaftlichen Verhältnissen und Missständen sei, werden zunächst Beispiele einiger Künstler_innen seit dem 18. Jahrhundert aufgeführt, die mit ihren Darstellungen und Texten vor allem die Herrschenden angreifen wollten. Leider enden die Beispiele mit Picasso in den 1930er Jahren in Ausklammerung aktueller Strömungen, Einzelkünstler_innen und Aktionsgruppen, die durchaus den formulierten Anspruch haben, sowohl künstlerisch als auch politisch zu handeln und bestehende Missstände zu thematisieren.
Anschließend kann man Moser auf seinem künstlerischen Werdegang und der zunehmenden Politisierung und Radikalisierung seiner Ansichten begleiten. Es ist eine wilde aber nicht verwirrende Mischung aus Schilderungen einzelner Aktionen und Erlebnisse, viel Kritik an bestehenden Verhältnissen und den Zitaten berühmter Persönlichkeiten. Neben Ausstellungs-möglichkeiten nutzt Moser auch politisch-künstlerische Aktionen, die in der erzkonservativen ländlich-österreichischen Region immer wieder Besuche von Polizei, Anzeigen und Strafverfahren zur Folge haben. Nach der Umsetzung seiner Ideen mittels Aktionen, einem Videofilm oder in Form von Plastiken, die er als Kommentar zu politischen Entwicklungen im öffentlichen Raum aufgestellt, wird er wiederholt wegen „Herabwürdigung religiöser Lehren“ oder „Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole“ angeklagt. Ganze Rezension lesen: Rezension M.E.
Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken
Mathias Rude
Schmetterlingsverlag, 204 Seiten, kartoniert, 10,00 Euro
Rezension, von E.
Vom irren Zwang des Verstandes und der Freiheit zur Nicht-Entfaltung oder Über das Verhältnis zwischen Produktionskraft und Tier
Die 2013 von Matthias Rude erschienene Publikation „Antispeziesismus – Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken“ ist eine weitere Veröffentlichung aus der theorie.org Reihe des Schmetterling Verlags. Mit dieser Reihe sollen Einführungen in emanzipatorische Theorien geboten und sowie aktuelle Debatten aufgearbeitet werden. Matthias Rude hat sich die große Mühe gemacht, die Geschichte tierbefreierischer Ideen im europäischen Raum zusammenzutragen. Er widmet verschiedenen Phasen des Umbruchs wie dem englischen Bürgerkrieg, der französischen Revolution, der Pariser Kommune, und der Lebensreformbewegung viele Seiten. Hauptsächlich stellt er Akteur*innen dieser Phasen mit „tierbefreierischen“ (wie wir es heute nennen würden) Positionen sowie biografische Daten, Zitate, und einige Verweise auf Sekundärliteratur vor. Gegen Ende des Buches beschäftigt er sich auch mit der modernen Tierbefreiungsbewegung, die ab den Sechziger Jahren entstand. Leider wird diesem
Kapitel sehr wenig Platz eingeräumt. Das Buch wird mit Gedanken zur Distanz zwischen der Tierbefreiungsbewegung und (anderen) linken Kämpfen sowohl eröffnet, als auch beendet. Über die moderne Tierbefreiungsbewegung heißt es, sie habe ein schwaches Bewusstsein über ihre theoretische und praktische linke Tradition. Die Ablehnung von Tiernutzung als Produktionsmittel und Ware bedeute laut Rude eine logische Fortsetzung der emanzipatorischen Imperative. In der Tradition des autoritären Marx’schen Ideologiebegriffs stellt Rude den Speziesismus als „notwendig falsches
Bewusstsein“ dar. Dieses Abwerten von Ideologie zeugt nicht nur von autoritärer Grundhaltung, sondern auch von der Annahme, selbst frei von irrationaler Ideologie denken zu können. An grundlegenden Überzeugungen orientiertes Leben bedeutet, Ideen als Leitlinien zu akzeptieren. Ebenso wie der Speziesismus geht Marx‘ Gesellschaftsanalyse von ebensolchen unbeweisbaren Ideen aus (von beispielsweise humanistisch-optimistischen wie dem Glauben an das Vermögen des menschlichen Verstandes, technische oder soziale Lösungen für anfallende Probleme zu finden). Soll es der Wettlauf um die Beweisbarkeit der eigenen Annahmen sein, der die Tierbefreiungsbewegung antreibt? Die linke Bewegung selbst wird von Rude aufgefordert, die eigene
Tierfeindlichkeit anzuerkennen und den Speziesismus aufzugeben – indem der Ansatz der Unity of Oppression, der die herrschaftskritische Gemeinsamkeit der verschiedenen emanzipatorischen single-issue-Bewegungen aufzeigt, angewandt wird. Ganze Rezension lesen.